Die neue Küchenmaschine “Oops, ich glaube, jetzt habe ich einen Fehler gemacht!” entfuhr es mir, als ich nach unten scrollte und den Rest des Textes las. Naja, bei einer schnell abgeschätzten Wahrscheinlichkeit von ca. 5 Prozent würde ich ja bestimmt noch Glück haben. Dennoch blieb ein mulmiges Gefühl in der Magengrube zurück. Doch ich sollte vielleicht zum allgemein besseren Verständnis erst einmal die Vorgeschichte erzählen: Meggi, meine Frau, backt häufig unser Brot selbst. Drei Handmixer waren dabei inzwischen schon auf der Strecke geblieben. Und das, obwohl sie, nach meiner ersten diesbezüglichen Belehrung bezüglich des Sinngehaltes des aufgedruckten “KB 6”, die angegebene Maximalzeit für den Kurzzeitbetrieb nie wieder überschritt. Im Gegenteil: nach jeweils drei Minuten Rühr- oder Knetzeit gönnte sie dem Gerät immer eine ausgiebige Abkühlpause, ehe der Teig weiter malträtiert wurde. Beim letzten Brotteig war nun etwas völlig Unvorhergesehenes passiert. Diesmal war nicht der Motor wegen Überlastung ausgefallen. Nein, einer der beiden Knethaken ragte nur noch traurig und in halber Länge aus dem Gehäuse. Nervöses, ungläubiges Stochern in der Teigkugel förderte die glatt abgebrochene vordere Hälfte des immerhin über 3 mm starken, gedrehten Stahldrahtes zutage. Ein Zuschauer dieser Szene hätte neue Schimpfworte lernen können, als ich endlich das zu glauben begann, was ich da sah ... Nachdem sich dann auch noch herausstellte, daß ein Ersatzteil nur knapp 10 DM billiger (“billig” ???) wäre als eine komplett neue Maschine der selben Marke -inklusive Rühr- und Knethaken, hatte ich die Nase endgültig voll. Ich beschloß, den Namens-Bestandteil “3-Mix” ab sofort wörtlich zu nehmen (3 sind mehr als genug gewesen!): So’n Schiet kommt mir nie wieder in’s Haus!” Jetzt galt es, eine Alternative zu finden. Gründlich, wie ich es als überzeugter Theoretiker nun’mal zu sein pflege, wurden umgehend Recherchen gestartet. Ich leitete Haushaltsgeräte-Studien in den einschlägigen Fachgeschäften der Region ein und stürzte dabei wahrscheinlich diverse sogenannte “Fach”-verkäufer in tiefe psychische Krisen, weil sie nicht einmal die elementarsten physikalischen Grundgrößen kannten, geschweige denn, diese nach Relevanz geordnet den von ihnen angebotenen Küchenmaschinen zuordnen konnten. Schon bei der simplen Frage nach dem Wirkungsgrad der verschiedenen Modelle stiegen die meisten Kandidaten aus. Ein paar hielten sich wacker, bis auch sie endlich an Kenngrößen wie Phasenwinkel und Torsionsmodul scheiterten und ausschieden. Und nur die Allerzähesten unter den Testkandidaten erreichten überhaupt die für mich entscheidende Quiz-Frage nach der “MTBF”, jener Kennzahl, welche die Zuverlässigkeit ausdrückt; die “Mean Time Before Failure”, d.h., die statistisch abgeleitete mittlere Zeit, die das Gerät einwandfrei funktioniert. Ich brach meinen Feldversuch bei den hiesigen Fachgeschäften als gescheitert ab. Kurze Zeit später unterhielt ich mich mit einer Bekannten, wir saßen bei ihr in der Küche, und sie erwähnte beim Austausch von Rezepten in einem Nebensatz den “Rolls Royce unter den Küchenmaschinen” - die Kitchen-Aid. Meine Neugier war geweckt. Gehört hatte ich von diesem sagenumwobenen Teil immer wieder einmal. Aber niemand in meinem Bekanntenkreis hatte ein solches Teil. War das nicht überhaupt technisch völlig veraltet? Soweit ich mich erinnerte, wird dieses Relikt aus der Urzeit elektrischer Küchenhelfer doch schon seit Jahrzehnten unverändert gebaut. Es folgten intensive Internet-Recherchen ... Worte wie “der Inbegriff der Küchenmaschine” und “Kultobjekt” liefen über meinen Monitor. “Die richtige Maschine für Leute, die Lebensfreude mit Lebensqualität verbinden und höchste Ansprüche an Design, Funktionalität und Qualität stellen”. ...Aha!?! “10 kg Eigengewicht, solide verarbeitet, pflegeleicht, langlebig, das Gehäuse aus robustem Metall”. Alle diese Eigenschaften gefielen mir; in gewisser Weise war sie mir doch sogar ähnlich. Wir werden gut zusammen passen. Das ist sie! Diese muß es sein! Nur diese kommt in Frage! Der Begeisterung folgte die Ernüchterung auf dem Fuß. Ich begann zu ahnen, warum dieser “Rolls Royce unter den Küchengeräten” in meinem Bekanntenkreis bislang kaum bis gar nicht gesichtet wurde. 800 DM für 10 kg Metall und eine hoffnungslos veraltete Technik!?! Das kommt ja überhaupt nicht in Frage! Da knete ich meinen Teig künftig doch lieber mit der Hand, als diesen Wucherern mein schwer verdientes Geld in ihren gierigen Rachen zu schmeißen. 800 DM für ein einfaches Rührgerät? Das sprengte mein momentanes Budget um Längen ... Wohl jeder kennt den Zustand des Verliebtseins. Und ich hatte mich verliebt in diese Maschine. Ob die nicht vielleicht irgendwo günstiger zu kriegen wäre? Doch unter ein im WWW gefundenes Super-Hyper-Ultra-Sonderangebot für 749 DM plus Versand wollte der Preis einfach nicht sinken. Aber, wie hatte kürzlich eine Werbe-Mail so verheißungsvoll versprochen: “Hochwertige, neue Elektro-Geräte ab 1 DM. Ersteigern Sie Ihren Traum”. Und wirklich wurde ich, wie versprochen, beim Internet-Versteigerer fündig. Hach, wie leuchtete sie mir vom Monitor verführerisch entgegen: Meine Kitchen-Aid – für nur 1 DM könnte ich sie ersteigern. Tollkühn gab ich mein erstes Gebot ab. Postwendend erhielt ich per eMail eine Bestätigung, in der mir versichert wurde, daß die Maschine mir gehören würde, falls niemand bis zum Ende der Auktion meine 2 DM überbieten sollte. ...Und genau das geschah schon nach wenigen Minuten. Raffiniertert, wie ich war, hatte ich mir ein Lesezeichen (für Insider: Bookmark) im IN-Browser gesetzt, so daß ich das Objekt meiner Begierde problemlos im Dschungel des WWW wiederfand. Als alter Hase ;-) wurde ich da jetzt sogar persönlich begrüßt. Nachdem ich mein neues Gebot abgegeben hatte, wurde mir die Hilfe eines sogenannten Angebots-Assistenten empfohlen. Fortan bot mein persönlicher Assistent bei jedem Überbieten durch einen fremden Mit-Steigerer automatisch bis zur von mir gesetzten Höchstgrenze von 500 DM für mich. Erfolglos! Maschine für Maschine ging ziemlich gleichmäßig für ca. 760 DM über den virtuellen Ladentisch an mir vorbei. Ebensoviele bedauernde eMails trudelten Woche für Woche vom elektronischen Auktionator in meinem Postfach ein. Inzwischen war mein neuer Rechner soweit zusammengeschraubt, konfiguriert und mit Software gefüttert, daß ich ihn testweise allererste, vorsichtige Schritte in die WeiteWeiteWelt unternehmen lassen konnte. Und so landete ich wieder mal beim elektrischen Auktionator meines Vertrauens. Da mir spontan nix besseres einfiel, stöberte ich ein bißchen in den neuen Angeboten ...und ich stolperte prompt über eine frisch angebotene Kitchen-Aid. Als ungewöhnlich stach das festgelegte Mindestgebot ins Auge. Statt der gewohnten 1 DM verlangte der Verkäufer 499 DM als Minimum. Routiniert, aber doch auch irgendwie lustlos bis frustriert, wies ich meinen elektrischen Auktions-Assistenten an, bis zum Limit von 500 DM mitzubieten. Ich kannte inzwischen den üblicherweise in diesem Forum erzielten Preis für ein solches Gerät und rechnete mir keine reelen Chancen aus. “Oops, ich glaube, jetzt habe ich einen Fehler gemacht!” entfuhr es mir, als ich das Fenster nach unten scrollte um den Rest des Angebotes zu lesen. Nun ja, bei einer schnell abgeschätzten Erfolgs-Wahrscheinlichkeit von weniger als 5 Prozent würde ich schon bald überboten werden. Ein mulmiges Gefühl in der Magengrube blieb dennoch zurück. Meggi hatte ich nämlich, nachdem sie mich spontan erst einmal pauschal für verrückt erklärt hatte, nur dadurch überhaupt für dieses “völlig überteuerte Ding” gewinnen können, indem ich ihr hinterlistig das Arbeitspaket “Farbwahl” übertragen hatte. Als Diplom-Künstlerin hatte ich sie mit diesem Trick raffiniert sensibilisiert, sich dem Ziel meiner Begierde von der Farbseite her zu nähern. Und es war mir geglückt! Mit einem während des abendlichen Fernsehens völlig zusammenhanglos hervorgestoßenen “Wenn überhaupt, dann nur eine rote!!” hatte sie mir grünes Licht für das Projekt “Kitchen-Aid” gegeben. Wie Schläge in die Magengrube donnerte mir daher jetzt jedes der Worte entgegen: “Leider nur noch in den Farben schwarz, weiß oder grün lieferbar!”. Rumms! Rumms! Rumms! Wie sollte ich das bloß Meggi erklären. Aber... Das würde ja sowieso eine rein akademische Frage bleiben. Diese “Fehlfarben” würden mich nur wenige Minuten bedrohen, ehe sie dem realistischeren Angebot eines anderen Interessenten zugeschlagen würden. Befreit aufatmend wählte ich die Nummer des Wohnzimmers, wo Meggi vor dem Fernseher saß, und erzählte ihr, heimlich schelmisch grinsend, daß es mir gelungen sei, ein schwarzes, weißes oder grünes Modell preisgünstig aufzutun. “Waaaaaaaaassss....????!!!!???? Ich will aber eine rote! Das war so abgesprochen!” Sie stürmte zu mir nach oben und überzeugte sich selbst vom gerade Gehörten. Ich beruhigte sie und erklärte ihr, ruhig und überlegen, warum mein Gebot sowieso ganz bestimmt nur wenige Minuten alt werden könne. Ehrlich gesagt, so ganz geheuer war mir dabei nicht. Kurz vor dem Zubettgehen schlich ich mich noch mal kurz hoch ins Computerzimmer und navigierte etwas ängstlich zu der Seite mit den Geboten für die von mir so vorschnell aktivierte Auktion. Mich traf fast der Schlag: Ich war immer noch Meistbietender! Oh oh, wie sollte ich Meggi das bloß beibringen. Bis zum Ende der Auktion waren es noch über 6 Stunden; solange wollte ich nicht mehr wach bleiben. “Du, Schatz, eine weiße Maschine wäre doch auch gar nicht so verkehrt. Rot paßt doch eigentlich gar nicht in unsere Küche ...” Weiter kam ich nicht. “Sag‘ bloß, Du bist noch immer nicht überboten worden! Ich will aber – wenn überhaupt! – eine rote. ...Und sonst gar keine.” Nach langer Diskussion konnte ich Meggi dazu bringen, wenigstens vielleicht (!!!) mal über die Duldung eines weißen Modells in ihrer Küche nachzudenken. Am nächsten Morgen bekam ich per eMail die Bestätigung, daß der schlimmste aller Fälle eingetreten war: Der Versteigerer beglückwünschte mich zur erfolgreichen Ersteigerung meiner Kitchen-Aid. Er konnte ja nicht wissen, daß das für mich mitnichten ein Grund zum Jubeln war. Er kannte meine farbsensible Frau nicht. Und ich wußte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, daß es noch dicker kommen würde. Mit fliegenden Fingern hämmerte ich eine Nachricht an den Verkäufer in die Tastatur. Ich schilderte ihm mein Dilemma und appellierte an sein Mitgefühl. Ich bat ihn, mir, bitte-bitte, doch wenigstens eine weiße Maschine zu schicken, um meinen durch die nicht-rote Maschine gefährdeten Ehefrieden zumindest halbwegs aufrecht zu erhalten. Bereits wenige Minuten erhielt ich den finalen Tiefschlag; In seiner Antwort-Mail bedauerte er, daß ihm das weiße Exemplar leider gestern ‘runtergefallen und dadurch defekt sei. Er wolle versuchen, mir noch eine weiße Maschine zu besorgen; aber er könne – bei allem Mitgefühl – leider nix versprechen. Mit gespielter Gleichgültigkeit warteten Meggi und ich in den nächsten Tagen auf die Paketpost. Was würde uns erwarten?!? Ach, es war uns doch eh schon alles egal ... Ich saß im Büro, als mich Meggis Anruf erreichte. “Ich mache das Paket jetzt auf. Der Postbote war gerade eben da. ...Oh Gott, auf der Verpackung steht “schwarz”. Ich glaube, ich gucke einfach gar nicht in den Karton rein. Schwarz! Schwaaaaarz! Ja, es ist tatsächlich eine schwarze.” Ich hörte hilflos auf der anderen Seite der Leitung zu. Was hatte ich bloß angerichtet! Wie konnte ich meiner geliebten Gattin einen solchen coloristischen Schock versetzen. Ich weiß doch, wie sensibel gerade sie auf Farben reagiert. Und dann auch noch schwarz. Diese Farbe paßte irgendwie zu meiner Friedhofs-Stimmung. Sarkasmus begann sich breit zu machen. Ein bißchen Fatalismus mischte sich hinein. “Ich komme sofort nach Hause!” hörte ich mich noch sagen, dann war ich auch schon unterwegs. Meine Kollegen dürften sich über den langen Kondensstreifen auf den Fluren gewundert haben, die ich bestimmt hinterließ, kurz bevor ich auf meinem Weg zur leidenden Gattin die Schallmauer durchbrach. Ich fand eine fröhliche, aufgeräumte Meggi in der Küche vor. Die Kitchen-Aid stand schwarz-glänzend auf der Geschirrspülmaschine. Und meine Gattin, die kaum Zeit fand, mich gebührend zu begrüßen, begann unverzüglich, mir ausführlichst die Vorzüge unserer Neuerwerbung zu erläutern. Ich war sprachlos! Und das gleich aus zwei Gründen: Erstens, was war denn mit meiner Frau passiert? Es hallte mir noch gellend in den Ohren “Ich will aber eine rooooote ...wenn überhaupt!”. Und zweitens: Die schwarze Maschine paßte vorzüglich zur restlichen Farbgestaltung unserer Küche. Sicher, die rote Maschine war hübsch anzuschauen gewesen, wie sie da so in der Galerie der verschiedenen lieferbaren Versionen gestanden hatte. Aber halt nur dort! Wir waren beide bei der Farbwahl überhaupt nicht auf die Idee gekommen, unsere voll eingerichtete Küche in die Überlegungen einzubeziehen. Die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens aller gerade geschilderten Zufälle, die dazu führten, daß wir jetzt anstatt einer roten Maschine eine schwarze unser eigen nennen, welche sich harmonisch in unsere Küche einfügt, diese Wahrscheinlichkeit versuche ich lieber gar nicht erst zu berechnen. Daß wir mit den Ergebnissen, mit denen uns diese Maschine jetzt täglich auf mannigfaltige Weise in Form von Brot, Muffins, Schlagsahne, Eischnee usw. verwöhnt, mehr als zufrieden sind, das wird dabei fast schon zur Nebensache. Gab es ein Leben vor der Kitchen-Aid? ;-)
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