© Erwin Timmerbeil (aka timmi)
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Die wohnen oben

„Du, ich glaube, der will unseren Tisch haben!“ stiess Meggi mich mit dem Ellenbogen an. Ich hob den Blick von meinem Glas und schaute zur Tür, auf die sie  wies. Dort segelte soeben ein Mann, Typ alternder Playboy, mit seiner viel zu jungen Freundin herein uns sah zu uns herüber.

„Ach was, Meggi, das kann gar nicht sein; hier sitzen wir doch. Vielleicht kennt der uns ja von irgendwoher. Wie kommst Du überhaupt auf so`was?!?“ Aber ich  beobachtete den neuen Gast doch interessiert weiter. Er war inzwischen an der Theke angelangt und hatte Herrn Lommerzheim abgefangen und redete auf ihn ein. Dann sahen beide zu uns herüber und Herr Lommerzheim sagte  kopfschütteltnd irgendetwas zu ihm. „Siehst Du, triumphierte Meggi, das habe ich Dir doch gesagt; der will unseren Tisch haben.“

Der alternde Playboy stiess sich von der Theke ab und kam zu uns herüber: „Wenn Sie gleich gehen, können wir dann Ihren Tisch haben?“ Meggi schaute mich mit  ihrem „Siehst-Du-wohl-hab-ichs-nicht-gesagt“-Blick an und ich antwortete dem Fragenden: „Ja, meinetwegen ... Aber wie kommen Sie denn auf die Idee, dass wir schon gehen wollen?!?“

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Herr Lommerzheim seinen vollen Kranz wieder auf die Theke zurück stellte und zu uns rüberkam. Er zog den Gast leicht zu sich  herüber und sagte, in seiner ernsthafen, knochentrockenen Art: „Die gehen noch nicht. Das sind Hotelgäste; die wohnen hier oben.“ Und zu mir gewandt, aber doch so laut und deutlich, dass es alle mithören mussten: Das habe ich  dem Kerl schon an der Theke gesagt. Aber das will dem nicht in den Kopf rein!“ Sprach’s, liess den verdutzten Gast los, der hilflos ein „Man wird doch mal fragen dürfen“ herausquetschte, und nahm wieder seinen Kranz auf und  verteilte, als sei nix gewesen, weiter Glas um Glas die vollen Gläser.

Rundum herrschte Ratlosigkeit. Was hatte er gesagt? Hotelgäste? Hier oben? Nur ganz langsam dämmerte es den Zuhörern, dass Herr Lommerzheim offensichtlich  gerade eben wieder einen seiner seltenen - aber dafür um so wirkungsvolleren - Scherze gemacht hatte. Denn wo sollte „hier oben“ sein? Im sogenannten „roten Salon? Der oberen, völlig verfallenen Etage dieses Hauses? Wohl kaum!

Als er wieder an unserem Tisch vorbeikam wollte ich noch einen draufsetzen und sagte ich zu ihm: „Herr Lommerzheim, die  Minibar in unserem Zimmer müsste auch mal wieder aufgefüllt werden!“ Er antwortete, wie selbstverständlich und ohne zu Zögern: „Ich sage dem Mädchen morgen früh Bescheid!“ und zog unbeirrt weiter seine Kreise. Ja, schlagfertig war er immer.

Der alternde Playboy und seine Freundin bekamen dann irgendwann, etwa eine Stunde später, auch endlich einen Sitzplatz an einem der vorderen Tische. Er schaute  den ganzen Abend immer wieder leicht verunsichert zu uns rüber. Wahrscheinlich hätte er nur zu gerne gesehen, wie wir auf unser Zimmer „hier oben im Hotel“ gegangen wären.

 

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