Sie ist ja soooo... süß Oh, wie war er frustriert! Den Blick trotzig nach vorn gerichtet offenbarte er uns seine durch leidvolle Erfahrungen mühsam errungene Entscheidung: Weiber! Pah! Lieber würde er schwul werden, als sich noch einmal mit einem dieser komplizierten, meist langhaarigen, Geschöpfe einzulassen. Nur Ärger hat man mit denen! Nein, diesmal reichte es ihm endgültig und für ewig. Er hatte dem anderen Geschlecht schließlich Chancen genug eingeräumt. Keine hatte ihre Chance erkannt oder gar genutzt. Selbst Schuld! Jetzt war er weg vom Markt der begehrenswerten Junggesellen. Rückfälle würde es bestimmt keine geben. Immerhin war er ja ein intelligenter, lernfähiger Mann. Und intelligente, lernfähige Männer machen den selben Fehler nur einmal - allerhöchstens aber zwei- bis dreimal. Ich mache mich doch nicht lächerlich. Ich doch nicht! Eine Woche verging. Dann sahen wir ihn wieder. Ein leichtbeschwingter Florian schwebte tänzelnd die Treppe zum ersten Stockwerk empor. Mit umflortem Blick lispelte er immer wieder: “Sie ist ja so süß!”, während er Meggi und mich zur Begrüßung schier erdrücken wollte. “Sie ist ja so süß!” Bei mir wechselten sich Freude und Sorge um den Freund ab. Was war mit ihm los? So hatte ich ihn noch nie erlebt. War er verrückt geworden? Oder sollte er vielleicht ein neues Motorrad erstanden haben. Aber wieso “süß”? Bei einem neuen Motorrad hätte ich eigentlich andere Adjektive erwartet. Vielleicht noch hübsch, gut in Schuß, chromglänzend oder ähnliches. Aber “süß”? Kurz blitzte der Gedanke an ein Mädel in mir auf. Aber der wurde schnell wieder verworfen. Florian war schließlich ein intelligenter und lernfähiger Mann und hatte uns just über dieses Thema vor einer Woche erst einen ausführlichen Vortrag gehalten, in welchem er minutiös, wie ich es von ihm als Wissenschaftler gewöhnt war, induzierte, deduzierte und analysierte, warum Frauen für ihn höchstens noch als Patienten in Frage kämen. Aber was konnte ihn denn nur so aus der Bahn geworfen haben. Für einen solch desolaten Zustand bei einem Mann zeichnete nach meinen bisherigen, nicht unbedingt spärlichen, Erfahrungen eigentlich immer eine Frau verantwortlich. Nur war diese Ursache im speziellen Falle wohl das einzige, was nicht in Frage kam. Meine Sorge um Florians Geisteszustand begann sich zu verdichten. “Wer ist so süß, Florian? --- Heh, Florian! Wer ist süß? --- Sag’ mal, hörst Du mir überhaupt zu?...” Er lispelte weiterhin monoton sein “Sie ist ja so süß!” mit fast missionarischem Eifer vor sich hin. Es verging wohl eine geschlagene Viertelstunde, in der Meggi und ich abwechselnd und zugleich versuchten, die Ursache für Florians sonderliches Verhalten zu ergründen. Allein, er reagierte nicht auf äußere Reize. “Sie ist ja so süß!”... Da half kein verständnisvolles Zureden. Laute und scharfe Zurufe prallten ergebnislos von dieser Gebetsmühle ab. Selbst auf Knuffen und Schütteln reagierte er nicht mehr. Die Lage war ernst. Sehr ernst. Wer hatte unseren Florian so zugerichtet?“Andrea!” warf er uns plötzlich mit einem Pathos entgegen, der implizierte “Wer denn sonst!?!” “Andrea?”, fragten Meggi und ich wie aus einem Munde zurück. “Wer, um Gottes Villen, ist denn Andrea? --- Ein Mädchen????” Aber er war bereits wieder in seine Rolle als personifizierte Gebetsmühle zurückgefallen und überließ uns unseren wirren Thesen. Vielleicht hatten wir uns ja auch verhört und er hatte einen so ähnlich wie “Andrea” klingenden medizinischen Fachterminus ausgespuckt? Vielleicht den lateinischen Namen für seine Verwirrtheit? Meggi und ich waren jetzt noch ratloser als vor der Offenbarung der Andrea.“Floooooriiiiiiaaaaannnnn! Wer oder was,bitte, ist Andrea?” “Sie ist ja sooooo... süß!” --- Na, der Abend konnte ja unterhaltsam werden. Ich weiß es nicht mehr, was wir alles versuchten, um Florian wenigstens so weit von seiner rosa Wolke herunter zu zerren, damit er zumindest in kurzen Sätzen skizzieren möge, was ihm Schlimmes widerfahren sei. Auf jeden Fall fanden wir den losen Stein in der Staumauer irgendwann; Und nachdem wir den erst einmal mühsam herausgepult hatten, erfuhren wir daraufhin die ganze Geschichte. Reichlich verworren; aber so langsam zeichnete sich ein roter Faden ab. Andrea sei ja eigentlich in der Eifel gar kein Name sondern eher ein Sammelbegriff, lernten wir. Und deshalb heiße “sie” halt auch so. Und süß sei sie, sooooo süß! (Das war so ziemlich das einzige, was wir bis dahin eigentlich schon selbst mitgekriegt hatten.) Er hatte sie auf einer Fete kennengelernt und sie war Krankenschwester - und süß! Praktischer Nebeneffekt sei, daß jetzt auch seine Tätowierung, die er sich zu längst vergangenen Marinezeiten hatte machen lassen, wieder eine Daseinsberechtigung habe. “Andrea” steht nämlich seit jenen Tagen, die sein Interesse zum weiten Meer weckten, unauslöschbar auf seiner Haut zu lesen. Nur hatte die damit verbundene Dame seines Herzens sich seinerzeit als beileibe nicht so haltbar erwiesen wie ihr Name auf seinem Arm. “Aber... Vor einer Woche hast Du doch noch ganz anders gesprochen!?!” Jetzt waren wir ähnlich verwirrt, wie Florian vorher. “Jaaa... Da kannte ich Andrea ja auch noch nicht. ...Sie ist ja so süß!” Inzwischen haben wir sie, natürlich, kennengelernt, die Hexe, welche es geschafft hat, unseren - ach so konsequenten und lernfähigen - Florian zu bezaubern. Und wir sind zum selben Ergebnis gekommen wie er: Sie ist wirklich süß! Den Beinamen “die Hexe” hat sie bei Meggi und mir aber behalten. |
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